Nach einem meiner Vorträge kam eine Frau auf mich zu. Ich hatte erwähnt, dass ich regelmäßig Tagebuch/Gedankenbuch schreibe und das fand sie irgendwie nicht gut. Sie sprach von ungesunder Nabelschau, von egozentrischem Verhalten, von Ich-Bezogenheit. Das interessante für mich dabei ist 1. wieder einmal festzustellen, wie unterschiedlich wir Menschen sind, denken und werten. Ich würde nie auf die Idee kommen, dass mein Gedankenbuch schreiben eine egoistische Handlung ist. 2. Ich wurde dadurch nicht verunsichert. Vor ein paar Jahren wäre ich nach Hause gefahren mit der Überlegung mein Schreiben in meinen Notizbüchern zu beenden, weil ich auf keinen Fall egoistisch sein möchte. 3. Hätte sie ein Gedankenbuch/Tagebuch, dann wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass ihre Kritik sehr vehement, sehr dominant von ihr geäußert wurde. Es entstand kein Raum für ein Gespräch. Ihre Sicht auf die Dinge schien die einzig richtige Möglichkeit zu sein.
Ich liebe meine persönlichen Notizen. In diesen Momenten wird die Welt um mich und in mir stiller und ich fokussiere mich ganz auf einen Gedanken, beleuchte ihn von mehreren Seiten, vielleicht habe ich noch ein Zitat aus einem Buch, das dazu passt und eine Überlegung unterstützt. Es gibt Themen über die würde ich nicht reden, aber über sie schreiben, das geht. Es hilft mir zu reflektieren, innezuhalten, nicht einfach aus einem Gefühl heraus zu reagieren. Es sind viele Gebete dabei, viele Zitate aus der Bibel, viele Fragen… Und in Zeiten wie diesen ist mir diese Gewohnheit besonders wichtig. Was genau stresst mich? Was fordert mich heraus? Wofür bin ich besonders dankbar? Was schätze ich auch genau an dieser Zeit? Was lerne ich daraus, was nehme ich mit? Diese Dinge verschwinden, wenn ich sie nur denke… dann sind es Schäfchenwolken am Gedankenhimmel. Aber, wenn ich sie aufschreibe, dann bekommen sie Wurzeln, können Neues entstehen lassen, manches Alte an Überzeugungen oder Ideen muss dann weichen. Es ist einer meiner wichtigsten Möglichkeiten einen Umgang mit mir selbst zu finden. Heute bin sehr dankbar für diese stille Gewohnheit.
Heike sagte:
Liebe Lissy,
auf der Suche nach einem Buch bin ich gerade hier hinein gestolpert-
Hab mich festgelesen und erstaunt viele Berührungspunkte gefunden. Begonnen mit den 3 Kindern, dem Beruf, auch gerade in der ambulanten Pflege, der Liebe zum Wort, dem selbstgedachten oder dem von Wegbegleitern. Nicht zuletzt die Stille und die Nähe zu Gott.
Eine schöne Begegnung:) Werde bestimmt noch öfter reinschauen!
Mir hilft das Schreiben oft beim Denken und für mich ist es Reflektion und ein Betrachten aus vielen Blickwinkeln- und pures Glück.
Liebe Grüße
Heike
Gesucht hab ich übrigens nach einer wunderbaren kreativen Künstlerin & Wortklauberin: Stephanie Brall, deren Buch heißt Leben lieben…
alltagsstueckwerk sagte:
Hallo Heike, vielen Dank für Deine Zeilen! Und schön, dass Du hier hängengeblieben bist, das freut mich natürlich! Nach dem Buch habe ich schon geschaut von Stephanie Brall. Danke für Deinen Tipp, das klingt gut! Liebe Grüße Lissy
Christina S sagte:
Ja, das finde ich auch: Wie gut, dass es dich nicht mehr verunsichern konnte! Da sehe ich an dir eine innnere Freiheit die ich mir auch sehr wünsche. Nicht dass wir uns nichts mehr sagen lassen, aber dass wir an dem festhalten können was gut uns richtig ist für unser Leben und woraus dann auch ganz natürlich Segen für andere wächst. Man spürt in deinen Texten einfach deine reflektierte Art, die Wurzeln die in die Tiefe gehen. Deshalb lese ich so gerne hier. Sei lieb gegrüßt von einer Tagebuchschreiberin aus BAcknang 🙂
alltagsstueckwerk sagte:
Vielen Dank für deine lieben Worte und wie du es sagst: es geht nicht darum sich nichts mehr sagen zu lassen, sondern zu prüfen und manche Kritik dann aber auch loszulassen. Ganz herzliche Grüße, Lissy
rausausderaffenfalle sagte:
Wie schön, dass es dich nicht mehr verunsichern konnte. <3 😀 Es ist so gut, beim Schreiben zur Ruhe zu kommen. Und gute Gedanken bleiben doch länger haften, wenn wir sie mit Hand und Herz aufgeschrieben haben. Dein Gedanke mit den Wurzeln gefällt mir. Ich habe wenn möglich, auch eine tägliche Zeit mit Jesus, in der ich meine Fragen an ihn und seine Antworten an mich aufschreibe. Oder Bibelverse und Bilder, und meine Fragen und seine Antworten dazu. Es ist sozusagen ein Hör-Tagebuch. Vielen Dank für den Beitrag 🙂
alltagsstueckwerk sagte:
Die Bezeichnung gefällt mir: Hör-Tagebuch. Und wie du es eingangs erwähnst, schreiben ist ein zur Ruhe kommen. So empfinde ich es auch. Vielen Dank für Deinen Gedanken. Mit lieben Grüßen Lissy