DANKE

Es ist kein besonderer Tag und kein besonderer Anlass. Ich dachte immer, wenn ich diese Form des Sammelns von Dankesmomenten beende, dann zu einem besonderen Anlass, ein besonderes Datum oder bei einer besonderen Anzahl von Beiträgen. Aber heute veröffentliche ich meinen 836. Beitrag, es ist der 25.Juni 2020 und dies mein letzter Beitrag auf diesem Blog. Und ich möchte mich bei euch allen bedanken. Bei denen, die von Anfang an dabei waren und mir 5 1/2 Jahre die Treue gehalten haben. Bei denen, die ab und zu hineingeschaut haben. Bei denen, die einen Gedanken hinterlassen haben. Vielen Dank für euer Interesse!!! Diese Jahre haben mich bereichert. Und ich höre zwar auf auf dieser Plattform zu schreiben, aber meine Dankesmomente sammel ich weiter. Es ist eine Entscheidung, die ich aus einer Unzufriedenheit, aus einer inneren Not heraus getroffen habe und die meine innere Haltung so entscheidend geprägt hat. Deshalb mache ich weiter, es bleibt (m)eine Lebensaufgabe, die ich unglaublich feiere! Es ist nichts vorgefallen, falls sich das jemand fragt, ich bin in keiner Krise oder ähnliches. Ich finde einfach, diese Form passt nicht mehr.

Dankbarkeit ist für mich das Schöne wahrzunehmen, das Selbstverständliche wertzuschätzen und durch das Aufschreiben dieser Momente, unterstütze ich die Merkfähigkeit meines Gehirns. Dankbarkeit ist für mich das Gute in meinem Leben persönlich zu nehmen. Und diese Dankbarkeiten sammle ich nicht in den luftleeren Raum, sondern danke Gott, dass er es gut mit mir meint, dass er mich beschenkt, dass ich gesehen bin. In diesem Jahr werde ich 40 Jahre. Und das Schönste ist tatsächlich, dass ich so nun über mein Leben denken kann. Jahrzehnte habe ich Gott Vorwürfe gemacht, weil ich in eine Welt geboren wurde, die mich nicht willkommen geheißen hat, im Heim und dann in meiner Pflegefamilie war. So lange konnte ich das Gute meines Lebens nicht wahrnehmen, weil ich mich dauernd durch meine ersten Lebensjahr benachteiligt und zu-kurz-gekommen gefühlt habe. Ann Voskamp schreibt in ihrem Buch „Tausend Geschenke“ : -Nachdem der Magen voll ist, braucht es zwanzig Minuten, ehe das Gehirn Sättigung meldet. Wie lange braucht eine Seele, ehe sie feststellen kann, dass das Leben erfüllt ist?- Meine Seele hat mehrer Jahre gebraucht… Ich bin so dankbar, dass der Wert Gottes : „Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes für euch.“ (1.Thessalonicher 5,18) keinen Druck mehr auslöst, sondern, dass dieser Wert meine Seele in den letzten Jahren gelehrt hat: „Dein Leben ist voll, voll Gutem, voll Segnungen.“ Dankbarkeit verscheucht nicht die Defizite, schmälert nicht den Schmerz und spielt das Schwere nicht herunter, nein, sie ist eine wunderbare Begleiterin, die uns an die Hand nimmt und mir immer wieder zeigt was es Gutes und Schönes in meinem Leben gibt. Ich bin so dankbar für diese unglaubliche innere Erfahrung und werde diesen Weg weitergehen – Segnungen sammeln!

Durch meine Blogzeit hat sich ergeben, dass ich zu Vorträgen, Predigten oder auch als Traurednerin eingeladen werde. Das möchte ich gerne weiterhin tun und anbieten. Deshalb nehme ich den Blog nicht aus dem Netz, sondern freue mich weiterhin über Anfragen: post@alltagsstueckwerk.com

Mit ganz herzlichen und lieben Grüßen. Gottes Güte & Gunst & Gnade ist mit Dir! Alles Liebe, Lissy

Mittwochvormittag

Heute war der erste Tag an dem all meine Mädels in der Schule und im Kindergarten waren. Nun ist es so, dass als ich noch allein wohnte, als ich dann verheiratet war und auch noch als meine Kinder sehr klein waren, Hausarbeit genau das war: Arbeit. Unangenehme, auf To-do-Listen auftauchende Punkte, die nach langem Herausschieben unwillig erledigt werden mussten. Mittlerweile bin ich seit 12 Jahren Mama und bei mir ist es nicht immer total sauber und aufgeräumt, aber an einem Mittwochvormittag ohne meine Kinder greife ich zum Putzeimer, Lappen und Handschuhen, weil ich nun in Stille und Ruhe sehr stupide Arbeit machen kann, die sich durch die Stille und Ruhe nicht nach Arbeit anfühlt. Vorhänge herunter nehmen, Wäsche aufhängen und bügeln und dabei gehen die Gedanken ihre Wege und ich halte sie nicht auf. Beiße mich auch an keinem fest, sondern genieße die Stille, die Ruhe und die Monotonie meiner Tätigkeit. Ich liebe das. Irgendwann habe ich Lust auf einen Input und weil mir immer wieder Zitate von Marc Aurel in die Hände fallen, google ich ein bisschen und stoße auf ein Hörbuch von ihm: „Selbstbetrachtungen“. Kopfhörer auf und lauschen. Er beginnt sein Buch mit Aufzählungen. Nicht die unterschiedlichen Stationen seines Lebens oder Dinge, die er in seinem Leben erreicht hat, sondern Menschen. Die ersten (Hörbuch) Seiten sind mit all den Menschen gefüllt, die sein Leben begleitet haben oder begleiten und was er von ihnen gelernt hat. „Mein Großvater Verus gab mir das Beispiel der Milde und Gelassenheit, mein Vater hatte einen bescheidenen Charakter, worin ich ihm nacheiferte, meine Mutter war mir durch ihre Frömmigkeit und Wohltätigkeit ein Vorbild, meine Erzieher lehrten mich Anstrengungen zu ertragen, mit Wenigem zufrieden zu sein, selbst die Hand ans Werk zu legen, mich nicht in die Angelegenheiten anderer zu mischen …“ So tauchen unzählige Namen auf und er zählt auf was er sich zum Vorbild nahm und welche Eigenschaften er schätzte. Und während ich so höre ermutigt mich dieses Buch: wie viele kritische Bemerkungen kommen über die Lippen über andere, wie schnell ist ein Urteil gesprochen, Dinge gesagt, die nicht wertschätzend sind? Auf meiner Reise der Dankbarkeit ist das eine unglaubliche Bereicherung, dass ich nach dem Ausschau halte, wofür ich bei einer Person dankbar bin. Es gibt viele Menschen, bei denen muss ich mir das nicht groß überlegen, weil ich mich mit ihnen so verbunden fühle. Aber es gibt auch die, die mir schwer fallen. In meiner Umgebung gibt es eine Person, die schätze ich so sehr für ihr Wissen, ihre Fachkompetenz, andere Dinge fallen mir an ihr eher schwer. Dankbarkeit schenkt mir, dass ich immer wieder den Fokus auf das lenke was ich an ihr schätze und würde ich eine Aufzählung wie Marc Aurel machen, dann würde sie darin vorkommen, weil ihr Wissen und ihr ständiges Bestreben nach Neuem und Dazulernen mich sehr faszinieren und motivieren und mir das ein großes Vorbild ist. Dankbarkeit verändert meinen Blick auf Menschen, ganz unbewusst. Das schätze ich sehr, dafür bin ich dankbar, denn sie zeigt mir, dass ich um mich herum viele wunderbare Eigenschaften wahrnehme, die mir zur Inspiration werden können…unabhängig von Sympathie und Antipathie. Vielleicht nicht ganz unabhängig davon, aber es ist eine Entwicklung spürbar. Für die Stille und Ruhe, meine monotone Hausarbeit, das Hörbuch und viele Menschen von denen ich lernen kann bin ich an diesem Mittwochvormittag sehr dankbar.

tolle Welt

Ich liege wach im Bett. Gedanken, die sich drehen – Rassismus und Unmenschlichkeit, der Klimawandel und die Frage, ob ich mich vegan ernähren sollte, Trinkwasserknappheit… Viele Themen, dazu noch meine eigenen unmittelbaren Herausforderungen. Und dann kommt meine Tochter zu mir ins Bett gekrochen, nichts neues, aber dass sie dabei etwas sagt, ist neu. „Mama, ich finde die Welt toll!“ Wie gesagt: es ist so gegen 2 Uhr und sie ist absolut nicht richtig wach. Ich weiß nicht, ob ich darauf jetzt was sagen soll… Da kommt ihr Stimmchen wieder: „Mama, findest Du die Welt auch toll?“ Da ich jetzt in kein nachdenkliches Gespräch einsteigen möchte, in dem ich meine Bedenken über diese Aussage erörtere, antworte ich mit „Ja“. Diese Welt ist toll, weil Spatzen morgens am Vogelhäuschen an unseren Balkon kommen, weil viele Menschen aufstehen und Solidarität zeigen, weil es Pfingstrosen gibt und Hortensien, weil meine Kinder ihre Ferien genießen, weil es in allem Herausforderndem immer noch so viel Schönes und Gutes gibt. Ja, diese Welt ist toll, um es mit den Worten meiner Sechsjährigen zu sagen, das „obwohl“ und „warum“ setze ich heute Abend ganz bewusst in Klammern. Dankbar für die nächtliche Erinnerung durch meine Tochter.

Dankesmoment vom Sonntag

6 Uhr, ich mache mich auf den Weg. Die frische kühle Morgenluft lockt, das Konzert der Vögel, die Stimmung des unberührten morgens. Und so laufe ich meine Runde, über die sonst stark befahrene Hauptstraße, hoch in die Natur. Dabei komme ich an dem Neubaugebiet vorbei: in den letzten Tagen war hier der Spatenstich und ich hätte gerne ganz hinten an der oberen Ecke ein Haus oder eine Wohnung in dem Haus. Wir wären noch voll hier in der Gegend, hätten zu zwei Seiten aber einen wunderschönen Ausblick, naturnah. ABER, es ist Sonntag und ich nehme seit Wochen ernst und versuche zu leben was Tomas Sjödin in seinem Buch schreibt, -Warum Ruhe unsere Rettung ist-: „Am Sonntag ruht das Bitten.“ Heute gehe ich vorbei, liege Gott nicht in den Ohren mit meinen Wünschen und Vorstellungen, sondern danke. Denn dort wo ich wohne, wohne ich gerne. Wegen den wunderbaren Vermietern. Dem unkomplizierten freundlichen Leben als Nachbarn. Ich wohne hier gerne wegen dem Inhaber des Döners von gegenüber. Wir grüßen uns. Ein paar Worte, Kirschen im Sommer von seinem Baum an der Ecke. Ich wohne hier gerne, weil wir die Frau schätzen mit ihren zwei Hunden, die so gehorsam sind. Sie ist Taxifahrerin, ich kenne ihren Namen nicht, aber das braucht es nicht für einen kleinen Plausch am Straßenrand. Ich wohne hier gerne, weil ich die Autos bewundere, die ein Mann hobbymäßig, hier auf dem Gelände, restauriert. Wunderschöne Oldtimer, der letzte ein blau-weißer VW-Bulli. Ich drücke meine Bewunderung für sein Handwerk aus… In meiner Welt hier sind so viele kleine Begegnungen, so viele Lebensgeschichten, so viel Freundlichkeit. All das würde ich vermissen und es wird mir bewusst, weil am Sonntag das Bitten ruht. Ich bin dankbar für meinen Morgenspaziergang, Inspiration von einem Buch und für viele kleine Begegnungen.

unbewusstes Wunder

Nach wie vor übt die menschliche Anatomie auf mich eine große Faszination aus. Ich sitze mit meinem Anatomieatlas auf dem Schoss in unserem Wohnzimmer und bin fasziniert von den Nebenniere, die nur 5-7g wiegen und wichtige Hormone bilden; fasziniert vom hydrostatischen Druck, der für den Flüssigkeitsstrom aus den Kapillaren in den Zwischenzellraum verantwortlich ist; fasziniert vom Mandelkern im Gehirn, der auch mit für Gefühle sorgt, vor allem die Entstehung der Angst ist hier verankert… All diese Abläufe, das Zusammenspiel der einzelnen Funktionen unseres Körpers laufen absolut unbewusst ab. Wir geben uns für diese Prozesse keine Mühe, strengen uns nicht an, sondern nehmen erst wahr was sie leisten, wenn die ersten Beschwerden auftreten, wenn Abläufe nicht mehr reibungslos ihre Aufgaben erfüllen. Für viele ist es ein Wunder, wenn Krankheiten geheilt und Gesundheit wieder hergestellt wird. Und ich teile das absolut: es ist immer wieder wundervoll zu hören oder zu erleben, wenn Menschen gesund werden. Aber in meinen Augen fängt das Wunder schon viel früher an, dann, wenn du jetzt einfach vor diesem Text sitzt und diesen liest, gar nicht darüber nachdenkst, was dein Gehirn alles leistet, damit es möglich ist, diese einzelnen Buchstaben zu erkennen, in Zusammenhang zu bringen, einen Sinn zu entnehmen. Dann, wenn du dich abends müde hinlegst, dein Herz aber nicht aufhört zu schlagen, dann, wenn du morgens aufwachst und dein Körper sich den Anforderungen deines Alltages anpasst…dein Kind vorsichtig in den Arm nehmen, die Sprudelkisten mit aller Kraft anheben, leise durch die Wohnung schleichen, immer zwei Stufen auf einmal nehmen um die Treppe schneller hinaufzusteigen. Unser Körper ist und bleibt ein Wunder, für das ich sehr dankbar bin!!! Und ich will ihn nicht erst würdigen und wertschätzen, wenn die ersten Beschwerden kommen, sondern heute bewusst dankbar sein für unzählige unbewusste Abläufe.

Inneres sortieren

Nach einem meiner Vorträge kam eine Frau auf mich zu. Ich hatte erwähnt, dass ich regelmäßig Tagebuch/Gedankenbuch schreibe und das fand sie irgendwie nicht gut. Sie sprach von ungesunder Nabelschau, von egozentrischem Verhalten, von Ich-Bezogenheit. Das interessante für mich dabei ist 1. wieder einmal festzustellen, wie unterschiedlich wir Menschen sind, denken und werten. Ich würde nie auf die Idee kommen, dass mein Gedankenbuch schreiben eine egoistische Handlung ist. 2. Ich wurde dadurch nicht verunsichert. Vor ein paar Jahren wäre ich nach Hause gefahren mit der Überlegung mein Schreiben in meinen Notizbüchern zu beenden, weil ich auf keinen Fall egoistisch sein möchte. 3. Hätte sie ein Gedankenbuch/Tagebuch, dann wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass ihre Kritik sehr vehement, sehr dominant von ihr geäußert wurde. Es entstand kein Raum für ein Gespräch. Ihre Sicht auf die Dinge schien die einzig richtige Möglichkeit zu sein.

Ich liebe meine persönlichen Notizen. In diesen Momenten wird die Welt um mich und in mir stiller und ich fokussiere mich ganz auf einen Gedanken, beleuchte ihn von mehreren Seiten, vielleicht habe ich noch ein Zitat aus einem Buch, das dazu passt und eine Überlegung unterstützt. Es gibt Themen über die würde ich nicht reden, aber über sie schreiben, das geht. Es hilft mir zu reflektieren, innezuhalten, nicht einfach aus einem Gefühl heraus zu reagieren. Es sind viele Gebete dabei, viele Zitate aus der Bibel, viele Fragen… Und in Zeiten wie diesen ist mir diese Gewohnheit besonders wichtig. Was genau stresst mich? Was fordert mich heraus? Wofür bin ich besonders dankbar? Was schätze ich auch genau an dieser Zeit? Was lerne ich daraus, was nehme ich mit? Diese Dinge verschwinden, wenn ich sie nur denke… dann sind es Schäfchenwolken am Gedankenhimmel. Aber, wenn ich sie aufschreibe, dann bekommen sie Wurzeln, können Neues entstehen lassen, manches Alte an Überzeugungen oder Ideen muss dann weichen. Es ist einer meiner wichtigsten Möglichkeiten einen Umgang mit mir selbst zu finden. Heute bin sehr dankbar für diese stille Gewohnheit.

einen Tag

Das lerne ich gerade: das Durchhalten. Im Moment möchte ich morgens so gerne liegenbleiben, nicht zusammensuchen was an Material von den Schulen gekommen ist, nicht motivieren und erklären. Ich möchte so gerne in aller Stille einen Tag verbringen, das Schleudern der Waschmaschine überhören, die klebrigen Fußböden übersehen, die vielen Dinge, die auf 85qm anfallen, wenn 4 Menschen überwiegend zu Hause sind… Ich möchte lesen und spazieren gehen, einen Tag auf keine Frage antworten. Einen Tag keine Nachrichten, keine Stimmungen, keine Launen. Einen Tag ohne Reize, zurückgezogen… Einen Tag. Ich bin dankbar, dass es Abend ist, dass sich die Stille über diesen Tag legt und ich jetzt lesen kann.

unerfüllte Wünsche

Eine Situation am morgen löst es mal wieder in mir aus: das Gefühl zu kurz zu kommen, dass es anderen besser geht als mir, dass ich übersehen werde, dass es mir an etwas fehlt… Sie sind selten geworden, diese Gefühle und doch alt bekannt. Trotz Sammeln von Dankesmomenten, trotz all den wunderschönen Situationen, Menschen, Dingen um mich herum.

Im Spätdienst desselben Tag komme ich zu einer Frau in meiner Tour, die erst seit kurzem unsere Unterstützung braucht (Ich bin Krankenschwester im ambulanten Pflegedienst). Sie ist sehr alt, sehr gepflegt, sehr freundlich. Ihre Frage an mich: „Warum kommen sie nicht jeden Tag?“ Ich erkläre, dass ich drei Töchter habe und als Teilzeitkraft arbeite. „Das ist ungerecht.“ Tränen schießen ihr in die Augen. Ich schaue sie verdutzt an, weiß überhaupt nicht was sie meint. Dann platzt es aus ihr heraus: „Ich habe zwei Söhne, mein größter Wunsch war immer eine Tochter. Ich habe keine und sie haben gleich drei. Das ist ungerecht.“ Sie fasst sich wieder, erzählt, dass sie ihre Schwiegertöchter sehr schätzt, aber ihr Schmerz, ihr unerfüllter Wunsch ist deutlich spürbar. Und macht mich nachdenklich: Es gibt tatsächlich Dinge, die ich in meinem Leben habe, die jemand anderes auch gerne hätte. So wie ich morgens in das Leben einer anderen Frau geschaut habe und dachte: Das ist ungerecht. Wieso sie und ich nicht? Es macht mich nachdenklich, weil ich nicht möchte, dass mir im Alter die Tränen kommen, wenn ich über unerfüllte Wünsche spreche, dass der Schmerz darüber noch immer eine solche Präsenz hat. Eine Lösung habe ich dafür nicht. Aber ich werde weiterhin meine Dankesmomente sammeln, den vielen unscheinbaren Momenten Bedeutung geben und mich mit dem Gedanken anfreunden: dass es bis ins hohe Alter unerfüllte Wünsche geben wird, dass sich nicht alles in meinem Leben erfüllen wird, dass nicht jeder Lebenstraum in Erfüllung gehen wird. Wenn ich lerne mit diesem Gedanken und dieser Tatsache nicht zu hadern und es annehme, ist der Schmerz im Alter darüber vielleicht nicht mehr so präsent. Für diese Begegnung bin ich sehr dankbar, sie lehrt mich so vieles!

Aufmerksamkeit und Beobachtung

Mit Blumen und einem Gruß mache ich mich auf den Weg zu meiner Arbeit um mich von meiner Chefin zu verabschieden, denn sie geht in Rente. Ich bedauere das, denn sie hat diesen Posten so kompetent gefüllt. Und das möchte ich gerne zum Ausdruck bringen. Mich zu bedanken bedeutet nicht, dass ich mich einschleimen will. Denn diesen Vorwurf hört man manchmal im Berufsleben. Nein, beim Bedanken geht es für mich nicht darum, dass ich Vorteile aus dieser Geste schlagen möchte. Sondern, dass ich Fähigkeiten meines Gegenübers, Gaben, Eigenschaften benenne, für dich ich dankbar bin. Es bedeutet in meinen Augen auch nicht, dass ich den anderen uneingeschränkt bewundere, es nie eine herausfordernde Situation gab oder alles perfekt am anderen ist. Dankbarkeit ist, dass ich wahrnehme, was positiv ist, dass ich es in Worte fasse, zum Ausdruck bringe und evt. mit einer Geste unterstreiche. Das war mir heute wichtig, trotz meiner Bedenken. Meine Chefin war total überrascht. (Nach Corona gibt es dann eine offizielle Verabschiedung.) „Das ist doch nicht nötig!“ ihre Worte. Doch, Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen ist so nötig, weil Kritik oft viel schneller über die Lippen kommt. Dankbarkeit ist eine Form der Aufmerksamkeit und Beobachtung im Alltag und das will ich immer weiter üben, auch im Umgang mit Menschen.

Kinder, Kuchen, Küken

„Mama, findest Du es toll drei Kinder zu haben?“fragt meine Jüngste im Auto. „Auf jeden Fall“, antworte ich und teile meine Dankesmomente an diesem Tag mit dem Fokus darauf, warum es so schön ist Mama von diesen drei Mädels zu sein.

Meine Mädels wollen einen Kuchen backen. So lege ich das Rezept hin, die Eine machte den Teig für den Boden, die Andere rührt die Zutaten der Füllung zusammen. Beide können das nun, weil sie wissen, was Mengenangaben bedeuten, wo der Zucker steht und wie man ein Ei aufschlägt. Das Beobachten von drei Kindern, die dazulernen, sich weiterentwickeln ist und bleibt ein wundervoller Dankesmoment.

Auf der Autofahrt erzähle ich meinen Mädels Geschichten aus ihrem Kleinkindalter. Sie lieben es zu hören, welches ihre ersten Wörter waren, was sie am liebsten gegessen haben und meine Große kann sich überhaupt nicht mehr vorstellen, dass Leberwurst mal zu ihren Favoriten zählte. Wir sind nicht nur Mama und Töchter durch die Geburt, sondern auch durch die Geschichten, durch die wir miteinander verwoben, verbunden sind.

Ich habe heute eine Menge über Spinnen und ihre Netze erfahren. Das interessiert mich nur, weil meine Mittlere mir all diese Informationen erzählt. Und zur Retterin von Fliegen, Käfern und anderen Kleinzeugs wurde ich nur, weil sie mich dazu gebracht hat. „Mama, du darfst die Spinne nicht töten.“

Eine liebe Bekannte hat neuen Familienzuwachs in Form von Küken. Den ganzen Nachmittag verbringen wir in ihrem wundervollen Garten, mit Hühnern, Küken, Katzen in wunderschöner Atmosphäre (Wir waren natürlich draußen und auf Abstand. #corona) Sicherlich hätte sie mich nicht gefragt, ob ich die Küken anschauen möchte, wenn ich nicht drei Kinder hätte. Und weil mein großer Traum tatsächlich ein Garten mit Hühnern ist, bin ich so dankbar für die kleinen Küken heute auf meiner Hand.

Osterwochenede

„Alles beginnt mit Karfreitag“, und so freue ich mich auf die Impulse, die die Pastoren unserer Gemeinde online zusammengestellt haben. Ich liebe diese besonderen Tage, diese Erinnerungstage… Alles beginnt mit der Idee den Wecker nachts auf 3 Uhr zu stellen und zu „wachen“. Angelehnt an die Situation von Jesus mit seinen Jüngern im Garten Gethsemane. Ich bin bereit, der Wecker ist gestellt, die Bibel liegt bereit, mein Gedankenbuch und mein Gebetsbuch auch… Ich freue mich tatsächlich auf viele besinnliche Stunden am Karfreitag. Auch mit unseren Mädels haben wir so einiges geplant um ihnen diesen Gedenktag wieder neu zu erklären.

Ich werde geweckt, allerdings nicht vom Wecker, sondern ein paar Stunden früher von meiner Tochter. Sie hat Schmerzen. Tatsächlich dauert es Zeit, Trost und diverse Hausmittel bis sie wieder eingeschlafen ist. Ich habe mich auf die 3 Uhr Stille Zeit gefreut, auf Kontemplation und Besinnung. Um 3 Uhr sind andere wach, ich bin froh, als meine Tochter wieder schläft und auch ich wieder eingeschlafen bin. In den Tag stolpere ich dann, es muss ein Rezept besorgt werden, eine Apotheke, die am Karfreitag offen hat. (Meiner Tochter geht es mittlerweile wieder gut!)

Am Samstag bekomme ich einen Anruf von meiner Kollegin. Am Ostermontag bin ich einer Feiertagstour zugeteilt, in der ich viele Patienten nicht kenne und bekomme eine Übergabe. Mich beschäftigt, dass ich diesen Mundschutz tragen muss, dass meine Hautfarbe bei vielen älteren Leute erst einmal Irritation auslöst und die abgedeckte Hälfte des Gesichtes nicht gerade zum Vertrauensaufbau beiträgt.

Meine Wohnung ist nicht schön aufgeräumt und geputzt, wie ich das von Festen kenne. Ich habe es einfach nicht geschafft. Im Gegenteil: mein Mann wird mit Ostergrüßen in das Wohnheim gehen, in dem unzählige Menschen aus verschiedenen Ländern, auf viel zu engem Raum wohnen. In Zeiten von Corona darf er dort keine Besuche mehr machen, was meinem Mann viel ausmacht, aber einen Gruß vor die Türen stellen und von Weitem winken, das lässt er sich nicht nehmen. Da der Inhalt aber nicht in fertige Tüten passt, bastel ich diese selber, bin mal wieder überrascht, wie lang so eine Aktion dauert und dass wenn ich kreativ werde irgendwie jeder Raum im Chaos untergeht und ich doch gerade noch die Schere in der Hand hatte…

Heute schildere ich die unangenehmen Momente meines Wochenendes.(Es gab aber auch unzählig viel Schönes!!! Wunderbare Spaziergänge, Menschen, die an uns gedacht haben, eine aufregende Osterschatzsuche, Dankesmomente sammeln als Familie…).

Die unangenehmen Momente schreibe ich deshalb auf, weil das Ostern für mich bedeutet: Gottes Gegenwart hängt nicht von meinen Gefühlen ab, ob ich mich fröhlich österlich fühle, wenn meine Wohnung glänzt und ich viel Zeit für Besinnung habe und Kontemplation. Er ist mit mir, wenn ich nicht im Gedenken an ihn wache, sondern, die Hand meiner Tochter halte, weil sie nicht einschlafen kann. Er ist bei mir, wenn ich mich verunsichert fühle auf den kommenden Dienst mit neuen Patienten. Er steht zu mir, auch wenn ich mich dafür schäme, dass Ostern 2020 irgendwie viel Chaos und wenig Ruhe beinhaltete. Und deshalb liebe ich Jesus und deshalb liebe ich Ostern. Jesus begleitet mich in meinem Alltag und all das Unvollkommene ist bei ihm willkommen. Ich bin unvollkommen, ich bin bei ihm willkommen. Für dieses Ostern 2020 bin ich heute sehr dankbar…

Mundschutz und Parfum

Vom Robert-Koch-Institut veranlasst, muss das Personal in der ambulanten Pflege seit geraumer Zeit auch einen Mundschutz tragen. Wie vielerorts hat es bei uns (im Moment) auch nur den einfachen Mundschutz und keine tatsächlich ausreichenden Mundschutzmasken. So habe ich mir einen Mundschutz selber genäht um ihn unter den vorgeschriebenen Mundschutz zu tragen.

Der Geruchssinn ist in der Medizin von Bedeutung. Früher natürlich noch viel mehr als heute. Aber das fasziniert mich. Krankheitsbilder, die äußerlich noch keine Symptome zeigen, können sich schon in Form des Geruchs ankündigen. Wunden, die nicht gut verheilen riechen. Entzündungen, Lebererkrankungen… Der veränderte Geruch kann über den Atem, über die Haut, den Urin wahrnehmbar sein… Eine faszinierende Sache.

Ich habe eine feine Nase. Das ist manchmal schwierig, vor allem in der ambulanten Pflege. Denn hier leben die Menschen bei sich zu Hause, nach ihrem Hygieneempfinden, auf ihre Art und Weise. Und jetzt kommt mein Dank für diese wundervolle Stoffmaske, die ich nach jeder Schicht einfach mitwasche. Sie wird eigentlich zum Schutz vor Corona eingesetzt, aber ich sprühe Parfum darauf und laufe die ganze Schicht in einer wunderbaren Duftwolke herum. Mein Mann hat schon angekündigt, wenn wir die Masken irgendwann nicht mehr brauchen, werde ich immer noch damit zu sehen sein, weil es die (für mich) schwierigen Gerüche so wundervoll ausblendet. Eine wundervolle Sache, diese Stoffmasken. Heute bin ich dankbar für kreative Lösungen, wie diese Stoffmaske, gut duftende Parfums und die wunderbare Schöpfungsidee – Nase und Geruchssinn.

Diesen Mundschutz hat eine liebe Bekannte genäht, weil meiner gerade in der Wäsche ist.

Das Beispiel der Vögel

Dinge bekommen Bedeutung, weil wir uns auf diese fokussieren und ihnen Bedeutung geben. Auch, wenn sie rational betrachtet nicht ganz so sind. Für mich ist mein folgender Dankesmoment von Bedeutung, auch, wenn er unter wissenschaftlichen Aspekten sicher nicht haltbar ist.

Morgens trinke ich des öfteren meine erste Tasse Milchkaffee auf meinem kleinen Balkon, dessen Aussicht die Hauptstraße ist. Ich liebe es sehr, dass hier auch die Vögel zwitschern und ihrem morgendlichen Ritual des Singens nachkommen. Irgendwann wurde mir bewusst, dass sie immer singen und zwar beginnen sie damit, wenn es dunkel ist. Sie singen in die Dunkelheit hinein und haben noch keine Ahnung davon wie der Tag wird. (Wie gesagt, es hat für mich Bedeutung, auch wenn ich davon ausgehe, dass Vögel keine willentliche Entscheidung treffen, sondern einem Instinkt folgen.) Ihr Singen erinnert und ermutigt mich nicht erst dann zu danken, wenn ich weiß wie der Tag gelaufen ist oder ob meine Stimmung am Morgen passend ist um zu danken, sondern in die „Dunkelheit“, die Ungewissheit des Tages hinein mit dem Danken beginnen. Schon vor ein paar Wochen ist mir das morgens bewusst geworden und hat für mich Bedeutung bekommen. Wie sehr freue ich mich über die verlässliche morgendliche Erinnerung durch den Gesang der Vögel. Den Tag beginnen mit:

„Herr, ich danke Dir von ganzem Herzen…“ Psalm 138,1

Diese Streichholzschachtel hat mir einer meiner Töchter geschenkt. So schön!!!

Lachen und Post

Wenn ich ein Gefühl liebe, dann ist es das Gefühl unbeschwert zu sein. Und durch meine vielen Gedanken (nicht nur im Moment), ist dieses Gefühl nicht mein dauerhafter Begleiter. Aber: ich kenne und erlebe es immer wieder und zwar, wenn ich lache. Ob Schmunzlen, ein breites Grinsen oder ein Lachflash, mit tränenden Augen – ich kenne sie alle. Und heute bei den Aufgaben mit meiner Tochter ergab sich solch eine urkomische Situation. Wir mussten so lachen – alle zusammen, halb 10 in Deutschland. Für diesen Moment bin ich sehr dankbar.

Und für Post! In dieser Woche habe ich ein paar Briefe verschickt, weil ich Briefe schreiben liebe und es so schätze, wenn ich in den Briefkasten schaue und es liegt persönliche Post darin. Heute hab eich mich so über eine Karte meiner Freundin gefreut. Für diese bin ich heute sehr dankbar. Und es hat mich erinnert, dass ich schon einmal zu Weihnachten Post an manche verschickt habe, die mir per Mail ihre Adresse haben zukommen lassen. Das möchte ich heute auch wieder machen: Wer Freude hätte Post zu bekommen, der darf mir gerne seine Adresse per Mail schicken: post@alltagsstueckwerk.com Ich schreibe so gerne und wenn Du Freude daran hättest, dann melde dich einfach.

Erfahrungsschatz

Drei Begebenheiten aus meinem Berufsalltag möchte ich euch erzählen, für die ich dankbar bin:

Toilettenpapier und Zeitung Zu einer meiner ersten Patientinnen komme ich im Frühdienst. Ihr Mann ist auch anwesend und natürlich das Corona-Virus als Thema. Unser zusätzlicher Auftrag als Pflegefachkräfte ist es Ängste zu mildern und ruhig zu bleiben. Aber die beiden haben keine Angst: „Wir haben so viel schon erlebt. Das wird auch rumgehen.“ Dann kommt die Aussage vom Ehemann, die mich zum lachen bringt: „Wissen Sie was ich überhaupt nicht verstehe? Dass die Leute wie verrückt Klopapier kaufen. Das ist ja wohl das kleinste Problem. Wissen Sie wie ich groß geworden bin? Wenn mein Vater die Zeitung fertig gelesen hatte, wurde sie an einen Haken neben`s Klo gehängt und dann hat man sich Streifen abgerissen und damit ging`s auch. Der Kuttereimer stand bereit für die Entsorgung.“ Das gefällt mir: im Moment sind kreative Lösungen wichtig oder eben back to the roots…

Was das Gehirn speichert Eine andere Frau, an die 80 Jahre, hat weit größere Ängste und während ich meine Tätigkeit ausübe, nestelt sie unentwegt mit den Händen und wiederholt immer wieder ihre Sorgen. Sie ist stark verunsichert und meine beruhigenden und ermutigenden Worte kommen nicht an. Und dann fällt mir der Text von Dietrich Bonhoeffer ein, laut fange ich an zu sprechen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag… “ Ihr Atem beruhigt sich, sie faltet die Hände und spricht mit klarer Stimme mit. Ihr stehen Tränen in den Augen als sie mich verabschiedet: „Daran halten wir uns Schwester Lissy, gell?“ „Ja, daran halten wir uns.“

dankbar sterben „Ich kann gehen, “ sagt eine weitere Patientin zu mir. „Ich habe ein erfülltes Leben gehabt. Der liebe Gott kann mich holen. Ich bin immer freundlich gewesen, auch zu Leuten die schwierig waren und oft habe ich gehört, dass ich zu gutmütig bin. Aber kann es zu viel Güte geben in dieser Welt? Ich bin für jeden Tag dankbar und ernte jetzt so viel Gutes. Was Menschen im Moment an mich denken und nachfragen. Das ist so schön zu erleben. Ich bin bereit.“

Ich schätze meine Arbeit sehr, aber noch mehr die Menschen, die ich treffen darf. Und für diese Erlebnisse bin ich heute sehr dankbar.

Wie das wohl wird?

Die letzten Wochen habe ich viel mit Menschen verbracht. Vorträge und damit die vielen Gespräche der Teilnehmer/innen und deren einzigartigen Begebenheiten, Geschichten, Herausforderungen und Lebensthemen. Meine Arbeit als Krankenschwester, meine Familie… Und dann blogge ich nicht so gerne. Dann wird mein Zuhause mein Rückzugsort, meine seelische Tankstelle, mein Ruhepol.

Tja, die nächsten Wochen werden anders. Alle Vorträge, die ich in nächster Zeit gehalten hätte wurden abgesagt. Unsere Gemeinde (Kirche) findet andere Formen um Gottesdienst zu feiern. Meine Töchter sind ab morgen alle drei Zuhause – bis nach den Osterferien. Das Coronavirus hat große Auswirkungen und ich sammle Dankesmomente – eine wunderbare Gewohnheit.

Ich bin dankbar für Gottes Gegenwart. Letztens habe ich mit einer Frau gesprochen, die mich fragte, ob ich an Gott glaube. „Ja“, antwortete ich und es ergoss sich ihrerseits ein langer Monolog über mich, dass Glaube und Gott nur für die Schwachen sei und die, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen usw. Ich hörte ihr zu und als sie fertig war und mich herausfordernd ansah, bejahte ich ihre Worte. „Ja, ich habe nicht alles im Griff und fühle mich oft schwach. Ich bin so dankbar mit Gott im Alltag reden zu können und zugeben zu können, dass ich ganz viel nicht weiß.“ Das war noch vor den Corona-Zeiten. Und wie dankbar ich bin meine Schwachheit zugeben zu können, im Gebet auf Gottes inneren Frieden zu warten, Rituale, die meinem Glauben Halt und meiner Seele Gehör verschaffen.

Ich bin dankbar für meine Neugierde. Morgen habe ich Frühdienst. Aber ab Dienstag werde ich meine Kinder unterrichten. Ich bin bewusst keine Lehrerin geworden. Jetzt lerne ich dazu. Ich bin so gespannt wie das wird. Mein Augenmerk liegt bei neuen Situationen selten auf dem Problem, eher bin ich neugierig wie das alles wird, wie sich das anfühlt, wie wir das leben.

Ich bin dankbar für Selbstreflexion. Denn bis zum Freitagnachmittag hatte ich weder Angst, noch eine innere Unruhe. Gegen 17 Uhr laufe ich mit meiner Umhängetasche zu unserem Supermarkt. Ich gehe fast immer zu Fuß einkaufen und bin etwas erschrocken, denn es gab keine Kartoffeln mehr. Da in Baden-Württemberg die Menschen vor allem Nudeln essen, war das schon etwas verunsichernd. Kein Salat, keine Karotten, Nudeln sowieso nicht, keine Milch… Während ich da mit meinem Täschchen stehe, haben andere bis zu zwei Einkaufswagen voll mit Lebensmitteln. Jetzt kriecht das erste Mal ein mulmiges Gefühl durch meine Magengegend hoch in meinen Kopf. Ist das jetzt leichtsinnig, wenn ich mich nicht mit zwei Einkaufswagen durch die Regale quetsche? Ich stehe in der Menge und entscheide mich, beim langen Warten an der Kasse, nicht in das Gefühl von Angst einzusteigen. Ich bete, segne im Stillen die Menschen um mich herum und bin dankbar, dass ich meine Gefühle so gut kenne und einordnen kann und nicht hilflos innerlich in der Masse mitschwimme.

Ich bin voller Hoffnung. Denn Krisen haben sie wunderbare Möglichkeit, dass wir Werte neu überdenken, dass wir miteinander ins Gespräch kommen, dass wir Veränderung auf eine gute Weise erfahren. Und dass wir durch diese Corona – Krise weiser, freundlicher, zugewandter, bewusster, dankbarer werden… Das ist meine Hoffnung, das ist mein Gebet.

Ich wünsche Dir einen ganz guten Start in die Woche, inneren Frieden und einen guten freundlichen Umgang mit Dir selbst.

Mit ganz herzlichen Grüßen Lissy

naiv? tröstlich.

In manchen Phasen fällt es mir schwer meine Dankesmomente öffentlich zu teilen, weil es mir so naiv vorkommt, wenn schlechte Nachrichten sich zu häufen scheinen, die Menschheit unter der Abwesenheit der Menschlichkeit leidet, die Welt so haltlos wirkt. Vielleicht ist es naiv sich mit den schönen Kleinigkeiten des Alltages zu beschäftigen. Aber ich brauche es, weil diese Kleinigkeiten tröstlich sind…

Heute ist es eine Beobachtung, die ich mit euch teilen möchte: „Und wo sind meine Brötchen?“ der scharfe Ton heute, als ich im Frühdienst zu einer meiner Patientinnen komme, überrascht mich. Ich weiß zwar um ihre große Wut, die sie wie einen schweren Umhang immer mit sich trägt, aber bis jetzt hat mich ihre Wut noch nie getroffen. Tatsächlich bringe ich ihr hin und wieder Brötchen und ihre Lieblingszeitung mit. Aber das mache ich, weil sie so viel alleine ist, eigentlich immer alleine ist. Weil es niemanden in ihrem Leben mehr gibt, der ihr sagt, dass sie wichtig und wertvoll ist, weil zum Geburtstag meine Kolleginnen und ich gratulieren, aber sonst keiner mehr anruft. Sie berührt mein Herz, diese unsagbare Einsamkeit, die ohne Perspektive auf Veränderung, ihre Lebensbegleiterin geworden ist. Sie schaut mich an wütend und laut: „Ich habe mich so auf frische Brötchen gefreut!“ Jetzt sei ihr ganzer Tag im Eimer. Vor ein paar Jahren hätte ich im Inneren mir vorgenommen dieser undankbaren Frau nie wieder Brötchen mitzubringen. Heute stehe ich vor ihr und kann sie verstehen. Ist nicht ein großer Gegner der Dankbarkeit, die Gewöhnung? Wenn ich mich daran gewöhnt habe was es alles Gutes in meinem Leben gibt und sich dann eine innere Anspruchshaltung daraus entwickelt? Die Begebenheit heute erinnert mich daran, dass Gutes nicht selbstverständlich ist und dass ich mir dessen bewusst sein möchte, immer wieder neu. Und morgen denke ich an die Brötchen – hoffentlich.

sprachlos

Es klingelt an der Tür. Ich überlege mir, ob ich sie öffnen soll. Denn: meine Haare haben weder Wasser noch leave-in-Conditioner gesehen und hängen dementsprechend wuschelig auf meinem Kopf herum. Jogginghose, die ich nicht trage, weil ich vor habe joggen zu gehen, sondern weil sie bequem ist, das Treppenhaus weder gesaugt noch gewischt, der Müll steht im Flur bereit, hat es aber noch nicht bis zur Mülltonne nach unten geschafft, der nassen Wäsche geht es ähnlich, nur dass diese darauf wartet aufgehängt zu werden. Die Hausaufgaben mit meinen Mädels gerade noch in den Startlöchern, die Böden staubig, das Frühstück noch nicht ganz verräumt… Was soll ich sagen, es ist Samstagvormittag. Ich öffne die Tür und kann dann gar nicht glauben wie mir geschieht: nein, ich habe nicht Geburtstag, obwohl die Torte danach aussieht und ich feiere auch sonst nichts, obwohl der Blumenstrauss durchaus darauf schleißen lassen könnte. Eine liebe Bekannte kommt vorbei und überrascht meine drei Töchter und mich (mein Mann ist dieses Wochenende nicht da). Ich weiß nicht was ich sagen, wie ich mich bedanken soll. „Ich habe an euch gedacht.“ Liebe Worte, Lächeln und dann ist sie auch schon wieder weg. Tatsächlich sind meine Augen glasig, wobei ich das erst merke als meine Tochter mich darauf aufmerksam macht. Ich bin so gerührt, sprachlos über diese freundliche Geste, diesen leckeren schönen Gruß mitten in meinem Alltag, über diese Großzügigkeit. Heute bin ich dankbar dafür, dass eine so liebe Frau an uns gedacht hat, dass ich Geschmacksknospen haben, die den Kuchen in vollen Zügen genießen, Augen, die sich an den Blumen erfreuen und darüber, dass ich die Tür in meinem „Entschuldigung, wie es hier aussieht“- Zustand geöffnet habe. Ich hätte sonst das schöne Gefühl von Wertschätzung und Dankbarkeit versäumt…