Freitag

Die Veranstalterin ruft mich an, als ich gerade losfahre zu meinem Vortrag. Bei ihnen liege Schnee. Bei uns sind es 12 °C, ich kann mir das gar nicht vorstellen und bin die ganze Autofahrt extrem angespannt. Denn ich liebe Schnee, aber nur dann, wenn ich nicht fahren muss. Ich komme knapp, aber unversehrt an. Und spüre wieder einmal mehr die Dankbarkeit darüber, wenn kein Unfall passiert ist.

Nach dem Vortrag setzt sich eine Frau zu mir. Seit 5 Jahren trägt sie Krebs in sich. Keine Chance auf Heilung (aus medizinischer Sicht), aber sie erzählt und wirkt fröhlich. Ich frage sie wie das geht. Sie hat ihre Kämpfe, erklärt sie mir, innerlich mit Gott ist sie am Ringen. Aber sie sei an einem Scheideweg gestanden, Frust und Klage oder das Leben. Für das Leben habe sie sich entschieden. So ist sie dankbar für jeden Tag, obwohl sie weiß, dass sich ihr Gesundheitszustand von heute auf morgen verändern kann. Sie fasziniert mich und ich höre ihr lange zu. Denn in ihr erkenne ich auf was ich hoffe, dass es eine Möglichkeit gibt mit Leid umzugehen – mutig, lebensbejaend und vertrauensvoll. „Ohne meine enge Beziehung zu Gott wäre das nicht möglich.“ Die Frage an Gott, aber gleichzeitig dieses tiefe verbunden sein mit ihm, spricht aus ihrem Leben. Ich bin sehr dankbar für diese wunderbare Frau!

Die Nacht bin ich Gast bei der Veranstalterin, da ich am nächsten Morgen noch einen anderen Vortrag an einem anderen Ort habe. Als ich aus dem Bad in mein Gästezimmer gehe, erhasche ich einen Blick durch die Glastüre ins Wohnzimmer. Ich sehe das Ehepaar nicht, nur ihre sockigen Füße, die gemeinsam auf einem Hocker nebeneinander ruhen. Der Anblick rührt mich. Die beiden haben vier Kinder großgezogen, mittlerweile 3 Enkelkinder, haben ein Haus gebaut und so manches in all den Ehejahren bewältigt. Warum gehen gerade in dieser Lebensphase Ehen auseinander? Dann, wenn man schon so viele gemeinsame Erinnerungen gesammelt hat, dann, wenn man abends die Füße miteinander hochlegen kann, wenn Vertrautheit wachsen konnte? Ich bin dankbar für dieses Ehepaar, für diesen kurzen Augenblick, weil er mir Mut macht! Vertrautheit bedeutet noch lange nicht Langeweile und gemeinsame Rituale noch lange nicht Stillstand. Ich möchte die verschiedenen Phasen meiner Ehe bewusst wertschätzen, heute und Zukunft. Für diesen Gedanken bin ich dankbar.

Samstag

Mein Navi führt mich durch die seltsamsten Orte an mein Zielpunkt. Ich fahre durch Landschaften, die mir ein Stück von der Schönheit und Größe Gottes zeigen. Ich kann nicht anders, wenn mich Natur berührt ist Gott so spürbar, so gegenwärtig, so intensiv. Wunderschöne raue abwechselnde Landschaftsbilder, die tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Dafür bin ich sehr dankbar!

Der Vortrag „Vom Glauben und Zweifeln“ fordert mich besonders heraus. Ich finde ihn wichtig und gleichzeitig werde ich so verletzlich, wenn ich von meinen Zweifeln spreche. Eine Frau sucht nach dem Vortrag das Gespräch: durch einen schweren Verlust leidet sie viele Jahre an ihren Zweifeln, weiß nicht, ob sie sich Gott wieder nähern kann. Langsam verändert sich wieder etwas in ihr, so erzählt sie. Ich bin so dankbar, dass Gott keine vorschnellen Urteile fällt, dass er geduldig ist. Da wo Menschen vielleicht sagen: „Jetzt mach schon, es ist doch schon Zeit vergangen“, sagt Gott: „Feiern hat seine Zeit, wie auch das Trauern.“ Ich möchte wirklich vorsichtig sein! Wie schnell habe ich einen urteilenden Gedanken, glaube eine Meinung haben zu müssen oder meine, was für mich wichtig ist, ist auch für alle anderen richtig. Gott hat die Geduld Wege zu gehen mit Menschen und ihren unterschiedlichen Geschichten. Das Erleben der Frau mit den schönen großen Augen erinnert mich wieder daran und macht mich hoffnungsvoll. Dafür bin ich sehr dankbar.

Momente haben oftmals keine Ahnung wie wichtig sie zuweilen sind. (Autor unbekannt)