Meine erste Erfahrung in der Stille liegt viele Jahre zurück und ich glaube, dass ich deshalb eine so große Sehnsucht nach Stille in meinem Alltag habe, weil meine Erfahrung so positiv war.
Erleichterung
Ich war traurig, sehr traurig. An vielen Abenden weinte ich als es dunkel war, dann wenn es Nacht wurde, dann wenn ich nicht gesehen wurde und mich auch selbst nicht ansehen musste. Ich war 14 Jahre und meine leibliche Mutter war gestorben. Ich trauerte um sie und verstand das überhaupt nicht. Denn sie ist mir keine Mutter gewesen. Schon früh kam ich zu meiner Pflegemutter und dort ging es mir gut. Warum also diese Trauer um einen Menschen zu dem ich weder Beziehung noch Bezug hatte? Ich wusste es nicht. Deshalb waren meine Worte innerlich mir gegenüber nicht von Milde und Verständnis begleitet, sondern streng. Ich rief mich zur Vernunft und forderte mich selbst auf mit diesem Geheule ein Ende zu machen, weiterzugehen, stark zu sein. Es half nichts, nachts kam die Trauer. Irgendwann setzte ich mich im Bett auf und stellte mir die Frage: Warum macht dich das über so lange Zeit so traurig? Was ist los? Welchen Grund hat diese Traurigkeit?
Bis dahin hatte ich noch nichts über Selbstreflexion gehört oder gelesen, Achtsamkeit war noch kein gängiger Begriff und das Wort Seele mir fremd. Aber ich werde nicht vergessen dass Antworten kamen. Noch heute kann ich dieses Gefühl der Überraschung spüren und diese Antworten machten für mich absolut Sinn. Und sie brachten eine riesige Erleichterung. Ich konnte mich plötzlich verstehen, konnte mein Gefühl der Traurigkeit nachvollziehen und fand damit einen Umgang. Und dann ging die Traurigkeit so schnell wie sie gekommen war. Es war eine absolut prägende Erfahrung mir selbst zuzuhören.
Wenn es leise werden soll wird es so laut
Das ist oft das was ich höre, wenn es um Stille geht. Es ist die Sehnsucht da einfach nur dasitzen und still sein zu können. Und es geht in erster Linie nicht um die äußere Stille, um Geräusche und Lärm, sondern, dass es in einem ruhig wird. Gedanken nicht ständig kreisen, imaginäre Gespräche mit Menschen von denen man sich verletzt fühlt verstummen, das Gefühl getrieben zu sein verschwindet. Aber wenn man dann sitzt scheint alles noch schlimmer zu werden. Die Gedanken sind unnatürlich laut, die Verletzung wird so richtig spürbar und der ständige Impuls aufzustehen und etwas zu erledigen echt anstrengend. Aber das was wir in der Stille als unangenehm empfinden ist das wichtigste! Jetzt zuhören, genau hinsehen, wachsam sein. Nicht verurteilen, dass so viel hochkommt, sondern aushalten und hinschauen. Mir hat es immer geholfen aus der Beobachterrolle zu „denken“: Ah, o.k, wusste gar nicht, das mich das so stresst, unsicher macht, ich da neidisch bin oder was auch immer. Die Gedanken die laut werden sind da und kommen oft durch unser Verhalten zum Ausdruck, dann aber unkontrolliert oder man ist immer in der Opferrolle oder genervt, fühlt sich nicht verstanden, angespannt… Die Stille bietet die Möglichkeit seinen Gefühlen und Gedanken auf der Spur zu sein und seiner Seele zuzuhören. Auch wenn das am Anfang nicht besonders faszinierend klingt, ist es mit der Zeit wirklich erholsam. Wirklich!
Stille ist zuzuhören, wachsam zu sein, den Umgang mit sich selbst zu lernen. Vor allem in einer Zeit in der wir mit so viel konfrontiert werden was die Seele belastet. Anforderungen von anderen an uns, die dann zu unserem eigenen Maßstab werden. Stress, der hausgemacht ist. Werte, die wir einfach übernehmen, obwohl wir eigentlich anders leben wollen. Deshalb vier Ideen im Umgang mit den Gedanken und der Unruhe, die in der Stille auftauchen:
*Wertschätzung: nicht verurteilen, dass es jetzt so laut wird und du doch eigentlich ruhig werden wolltest, sonder achten, dass du dir jetzt die Zeit nimmst um zu hören, was deine Seele zu sagen hat. Wertschätzen, dass sie sich meldet.
*Aufschreiben: Mir hilft mein Gedankenbuch und einen Stift bereit zu haben. Wenn du glaubst, dass du einen Gedanken vergisst der dir wichtig erscheint einfach aufschreiben. Oder dieser Impuls das jetzt zu erledigen, schreib es auf. Es stellt sich nicht sofort damit die Ruhe ein, aber du kannst dich beruhigen, weil du es damit nicht vergisst und weiter sitzenbleiben kannst.
*Sätze: Mir helfen nach wie vor am meisten Sätze. Sätze, die zu mir passen, die mir helfen. Diese spreche ich mir in der Stille immer wieder selber zu. Zum Beispiel: „Ich darf jetzt einfach sein.“ oder „Ich verpasse da draußen jetzt gerade nichts.“ oder „Mein Gefühl ist nicht die Wahrheit.“ Je nach dem wie du dich fühlst, überlegst du dir einen passenden Satz, den du dann immer wieder zu Rate ziehst, wenn die Gedanken zu negativ oder die Unruhe zu groß wird.
*Zeit: Das alles braucht, wenn es dich inspiriert Zeit und Übung. Dass ich heute darüber schreibe finde ich richtig seltsam. Mein Weg mit der bewussten Stille begann mit 19 Jahren, jetzt bin ich 38 Jahre alt. Aber ich bin eben der Meinung und mache die Erfahrung, dass wir auf äußere Umstände kaum einwirken können. Trotzdem wünschen wir uns das oft am meisten, dass sich die äußeren Umstände ändern. Auf was wir aber einen sehr großen Einfluss haben ist auf unsere innere Haltung. Und eine motivierte, gestärkte, friedfertige und liebende innere Haltung braucht Zeit und wächst in der Stille.
Psalm 42,6
Jahre später nach meiner ersten Erfahrung in der Stille bin ich auf diese Bibelworte gestoßen: „Warum betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“ Psalm 42,6 Ich darf mir solche Fragen stellen, darf mir die Zeit dafür nehmen und freue mich an einem Gott, der in der Stille mit mir ist. Die Stille ist der Resonanzraum der Seele, hier hallt wieder mit was wir uns in unserem Alltag beschäftigen und hier wird ihr zugehört. Und schon das beruhigt.
Beloved sagte:
Danke!
alltagsstueckwerk sagte:
Sehr gerne! Vielen Dank! Liebe Grüße Lissy
Denisa sagte:
Da komm ich ja doch noch zu meiner Liste, wie Stille geht;-) Danke für deine Gedanken…so gut!LG
alltagsstueckwerk sagte:
Liebe Denisa, es würde mich voll freuen, wenn sie dir im Alltag hilft. Ganz liebe Grüße Lissy