Ich stehe im Esszimmer der alten Frau, die ich in meiner Spätschicht mit betreue. Sie erzählt wie schwer ihr das alt werden fällt, wie seltsam es sich anfühlt, wenn man im Kopf noch alles denken kann, aber der Schwindel einen daran hindert ungehindert durch die Tür zu gehen. Wie eingeschränkt man wird. Das Holz holen ihr ihre erwachsenen Kinder, genauso wie jeder Arzttermin erst durch den Kalender der Kinder muss, weil sie dort gar nicht mehr alleine hinkommt, weil sie vergisst was sie zu tun hat, wenn sie die Praxis verlässt. „Alt werden ist nicht schön.“ Immer und immer wieder höre ich diesen Satz aus ihrem Mund. „Man wird zur Last für andere,“ das ist ihre feste Meinung. Sie hat nicht damit gerechnet so alt zu werden. Nein, ganz und gar nicht. Ihre Tochter steht mit im Raum, räumt etwas auf, scheint beschäftigt. Doch dann löst sie sich von ihrer Tätigkeit, breitet weit die Arme aus und drückt ihre Mama an sich, bevor sie ihr in die Augen schaut. „Ich verstehe dich ja“, sagt sie, leise, vorsichtig. „Ich glaube, dass das alles nicht einfach ist und dir schwer fällt. Aber, wenn du nicht mehr bist werde ich dich so vermissen. Du bleibst doch meine Mama und nichts ist für mich Last.“ Ich brauche euch nicht zu erzählen, dass ich emotional ziemlich getroffen bin von dieser wunderschönen Mama-Tochter Beziehung. Die nicht immer leicht ist, die Herausforderungen mit sich bringt, aber nicht zur Last wird. Ich schätze die beiden so.

In meinem Seminar erlebe ich immer wieder Mamas, die sehr unsicher sind, weil sie Zuhause beleiben – stay-at-home-moms, sagen die Amerikaner dazu und auch die, die einen Beruf ausüben und kleine Kinder haben.  Ist es nicht interessant, dass Frauen jahrelang dafür gekämpft haben selbstbestimmt zu sein und das bedeutete damals, auch berufstätig zu sein. Und heute kommen Frauen in den Minderwert, wenn sie nicht berufstätig sind. Der Pegel scheint auf der anderen Seite hochzuschwingen. Ich war 10 Jahre ausschließlich Zuhause. Ich bin, seitdem ich wieder ein bisschen arbeite, sehr dankbar für diese Zeit. Es ist mir am Anfang sehr schwer gefallen, weil ich eine Mama, die Zuhause bleib als spießig empfand und ich zur Oberspießerin wurde. Aber ich glaube, so hat es eben zu mir gepasst. Es ist für mich stimmig. Und am Ende geht es nicht darum ob ich berufstätig war oder nicht, sondern wie ich die Beziehung zu meinen Mädels gestaltet habe. Und ich hoffe, bete und wünsche mir so sehr, dass ich für sie Ermutigerin, Rückenstärkerin und Hoffnungsträgerin sein darf, wenn sie schon längst erwachsen sind und ihr eigenes Leben leben. Und ich glaube, dass ich heute schon für in 40 Jahren die Weichen stelle und den Weg beschreite. Deshalb sind mir diese Mama Themen so wichtig, nicht, weil ich über richtig und falsch reden möchte, sondern Mut machen: jede Mama muss und darf ihren eigenen Weg finden. Denn das bedeutet Selbstbestimmtheit. Wir dürfen uns davon lösen, dass irgendjemand unseren Weg beurteilt und gut finden muss, sondern, dass wir für uns lernen Entscheidungen zu treffen. Und berufstätig oder nicht: ich wünsche jeder von uns, dass uns unsere Kinder einmal in den Arm nehmen, wenn wir schwach sind und alt, wenn wir uns als Last empfinden und unbrauchbar… Denn dann ist es nicht mehr wichtig, wie andere uns als Mamas beurteilt haben, sondern ob wir eine Beziehung zu unseren Kindern haben.

Auf meinen Touren zu den alten Menschen sehe ich viel Einsamkeit, viele unaufgearbeitete Lebensgeschichten und schweigende Verwandte, aber es gibt immer mal wieder einen Lichtblick an dem ich mich so freue, den ich festhalte, von ihm lerne…

Spruch auf der Karte:

Ich habe jetzt das Alter erreicht, in dem >Happy Hour< Nickerchen bedeuetet