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Eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde Zeit. Eine halbe Stunde Zeit für mich alleine. Ich gehe los – mit offenen Augen. Entspannung durch den Wind im Gesicht, den Boden unter den Füßen, mit offenen Augen. Und dann sitzt sie da. Am Dachfirst, alleine, sie zeichnet sich gegen den grauen Himmel ab. Ihr Federkleid schwarz, ihre Erscheinung unscheinbar, die Melodie aus ihrer Kehle kraftvoll. So bewusst wie in diesem Moment habe ich noch nie wahrgenommen, dass eine Amsel sehr klein ist für die Töne, die aus ihr gesungen kommen. Wunderschöner lauter Gesang. Ich bin fasziniert von diesem kleinen unscheinbaren Wesen. Ja und ich bin inspiriert. Denn es interessiert sie nicht, dass ich stehen bleibe und gebannt ihre Bewegungen beobachte und ihrem Lied lausche. Immer wieder streckt sie selbstbewusst ihren kleinen Kopf in die Höhe, ihre Augen wach und singt. Ein Ehepaar kommt an mir vorbei gelaufen, sie folgen meinem Blick, doch was ich sehe weckt nicht ihr Interesse. Sie laufen weiter. Der Gesang der Amsel bewegt nicht dasselbe in ihnen was er in mir auslöst. Aber es interessiert die Amsel nicht, dass das Ehepaar weiter geht, ihrem Gesang keine besondere Beachtung schenkt. Sie singt unbeschwert, weil sie sich ihrer Wirkung nicht bewusst ist, weil sie das tut was ihrem Naturell entspricht, sie holt sich bei anderen nicht die Erlaubnis singen zu dürfen und sie lässt sich auch dadurch nicht beirren, dass das Ehepaar nicht stehen bleibt und hinhört. Diese Amsel macht mir Mut. Mehr das zu tun, was meinem Naturell entspricht, nicht immer in der Sorge was für eine Wirkung es hat, welche Bewertung ich bekomme, was andere über mich denken könnten. Fröhlich singen, weil es ihr entspricht, unbeirrbar, ausdauernd. Ich bin so dankbar für diesen kurzen Moment der Ermutigung, für die Inspiration durch einen Vogel, für ihren Gesang. Es war nur einen Moment, den galt es festzuhalten, damit meine Seele dazu lernen kann. Dafür bin ich dankbar.